Mit Multiorganchips neue Wege gehen

Sie sind eine große Chance für die Entwicklung alternativer Testmethoden und die Überprüfung der Sicherheit von kosmetischen Produkten und Inhaltsstoffen – Multiorganchips. Bereits seit 2014 kooperiert ein Beiersdorf Forschungsteam mit dem Berliner Start-up-Unternehmen TissUse und arbeitet an der Simulierung physiologischer Abläufe sowie der Interaktion zwischen Haut und Leber.

100.000-fach kleiner als im Original

Auf einer biotechnischen Plattform, die nicht größer ist als eine Kreditkarte, lassen die Beiersdorf Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen winzige dreidimensionale Gewebemodelle von Haut und Leber wachsen. Diese sogenannten Organoide sind durch einen künstlichen Kreislauf miteinander verbunden. Angetrieben von einer Mikropumpe fließt eine Nährstofflösung zur Versorgung der Organoide durch haarfeine Kanäle. Das System simuliert dabei ähnliche Verhältnisse wie im menschlichen Körper, jedoch 100.000-fach kleiner.

Haut-Leber-Kombination gibt viel Aufschluss

Dr. Jochen Kühnl, Manager experimentelle Toxikologie, treibt das noch junge Forschungsgebiet mit einem engagierten Team voran und ist fasziniert von den sich bietenden vielseitigen Möglichkeiten: „Die Organ-on-a-chip-Technologie simuliert das Zusammenspiel verschiedener Organe und sehr viele damit verbundene Wechselwirkungen. Wir haben es hier mit einer komplett neuen Technologie zu tun - natürlich ist das spannend.“ Um neue Wirkstoffe auf ihre Unbedenklichkeit prüfen zu können, sind geeignete Testverfahren unerlässlich. Haut und Leber sind eine Kombination, die für die Ziele der Forschenden wichtig ist. „Die meisten Substanzen, die der Mensch aufnimmt, durchlaufen die Leber. Sie ist im Körper der primäre Ort für die Verstoffwechselung. Diese Verstoffwechselung betrifft natürlich auch Substanzen, die über die Haut aufgenommen werden könnten“, so Kühnl.

Alle haben dasselbe Ziel: Erforschung und Entwicklung alternativer Testmethoden

„Was die Forscher mit Organ-on-a-chip machen, ist Biochemie par excellence“, ergänzt Dr. Andreas Schepky. Er ist bei Beiersdorf verantwortlich für den Bereich Toxikologie und leitet eine Taskforce beim europäischen Verband der kosmetischen Industrie (Cosmetics Europe), in deren Auftrag die Möglichkeiten der Multiorganchips untersucht werden. Als Dachorganisation mit über 2.000 Firmen bündelt Cosmetics Europe die Aktivitäten der Industrie, unter anderem bei der Entwicklung alternativer Testmethoden. „Wir haben alle dasselbe Ziel und suchen gemeinsam die besten Lösungen. Die Multiorganchips sind ein riesiger Fortschritt. Beiersdorf war mit der Haut-Leber-Kombination einer der Vorreiter, ist an der Gestaltung der technologischen Entwicklung beteiligt und nimmt heute innerhalb der kosmetischen Industrie eine führende Position ein. Dass die Forschung bei uns im Haus stattfindet, freut mich besonders“, so Schepky.

2019 – ein Jahr mit wichtigen Ergebnissen

Katrin Brandmair, Dr. Jochen Kühnl und Silke Gerlach (v.l.n.r.)

Katrin Brandmair und Silke Gerlach konzentrieren sich in der Beiersdorf Toxikologie auf die praktische Laborarbeit. In Zusammenarbeit mit externen Dienstleistern und im Austausch mit TissUse kam das Team 2019 einen erheblichen Schritt voran, unter anderem mit sogenannten Metabolismus-Analysen: „Im Kern haben wir uns angesehen, was Haut und Leber mit einer Substanz, die wir auftragen, machen. Wie verändert sie sich im Körper? Verstoffwechselt die Haut sie bereits so, dass sie in der Leber eventuell gar nicht mehr ankommt? Solche und ähnliche Fragen standen im Fokus“, beschreibt Silke Gerlach.  

Auch die Phase des „Proof of Concept“ schloss das Team ab. „Wir haben vier nach bestimmten Kriterien ausgewählte Substanzen getestet, um zu zeigen, dass die Methode grundsätzlich funktioniert und reproduzierbare Ergebnisse liefert“, erklärt Katrin Brandmair. Eine solche Machbarkeitsstudie schafft wichtiges Vertrauen und ist die Grundlage dafür, dass eine Technologie weiterverfolgt und finanziert wird. Die Ergebnisse bestätigten die hohen Erwartungen an Robustheit sowie Relevanz und simulierten in vivo-ähnliche Befunde für die kosmetischen Substanzen in der Testung.

Internationaler Austausch für den Fortschritt

Großes Interesse weckten die Veröffentlichungen des Teams in renommierten wissenschaftlichen Zeitschriften (u.a. „Toxicology“ Januar 2021 & „Journal of Applied Toxicology“ Februar 2021)  und Präsentationen der Ergebnisse durch Dr. Kühnl auf wichtigen Fachkongressen (u.a. auf der Basel Life, bei der US-amerikanischen Society of Toxicology). Auch Beiträge in Workshops auf europäischer Eben (z.B. Visions Workshop der „European Organs-on-a Chip Organisation“ als auch internationaler Ebene („Transatlantic Think Tank for Toxicology“ zu „Biology-inspired Microphysiological Systems“) trugen zum wertvollen Austausch für den Fortschritt der Tierversuchsalternativen unter Garantie der Verbrauchersicherheit bei.

Beiersdorfs Engagement für alternative Testmethoden

Beiersdorf gehört auf dem Gebiet der alternativen Testmethoden zu den Pionieren und weltweit führenden Unternehmen. Seit mehr 35 Jahren treibt unsere Forschung & Entwicklung das Thema aktiv voran – durch die eigene Entwicklung geeigneter Methoden sowie die aktive Beteiligung an Validierungsstudien und Forschungsprojekten. Dabei waren und sind wir maßgeblich beteiligt an der Entwicklung und Validierung von Schlüsselmethoden, die heute von der OECD (Organisation for Economic Co-operation and Development) international akzeptiert und durch wichtige Aufsichtsbehörden bereits anerkannt werden. Dafür investieren wir erhebliche Ressourcen und arbeiteten bislang mit mehr als 50 Partnern und Interessengruppen weltweit zusammen.